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Erfahrungsbericht aus Budapest/Ungarn

Heike Neyens unterstützt als Fachberaterin für Deutsch der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) unterdessen online – zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Neidhart – 41 ungarische Schulen.

Aus: Schule NRW Juli 2020

Seit Mitte März ticken in Ungarn die Uhren anders – und dabei ganz ähnlich wie in Deutschland. Die Corona-Pandemie veranlasste die ungarische Regierung, vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen: Zunächst wurde der Betrieb von Gaststätten und Ladengeschäften eingeschränkt, kulturelle Einrichtungen geschlossen und der Luftverkehr deutlich reduziert. Die Bevölkerung richtete sich im Home Office ein, Schulen und Universitäten stellten auf Fernunterricht um. Innerhalb weniger Tage wurde Budapest, eine lebendige Metropole mit mehr als 13 Millionen Besucherinnen und Besuchern jährlich, gefühlt zu einer Geisterstadt. Positiver Nebeneffekt: freie Straßen und saubere Luft.

Heike Neyens unterstützt als Fachberaterin für Deutsch der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) unterdessen online – zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Neidhart – 41 ungarische Schulen. Hier bietet man umfangreichen Deutschunterricht an, oftmals handelt es sich um bilinguale Gymnasien. Ca. 1.100 Schülerinnen und Schüler legen i. d. R. am Ende ihrer Schulzeit eine Deutschprüfung ab, das Deutsche Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz. Zum allerersten Mal fanden hier am 26. Mai beim zahlenmäßig „kleinen“ Ableger, dem DSD I PRO mit beruflicher Orientierung, mündliche Prüfungen zur Hälfte online statt: Die Prüfungsvorsitzende war per Video aus Deutschland zugeschaltet, die Prüferin und der jeweilige Prüfling befanden sich in einem Klassenraum der Zsolnay Vilmos-Schule in Pécs. Doch besonders das Internet ist momentan sowohl in Ungarn als auch in Deutschland schon mal überlastet. Aber wer hätte das gedacht? Dank der technischen Ausstattung: Mikrofone, Laptops und Beamer und der stabilen Internetleitung klappten die Prüfungen sehr gut. Dazu Prüferin Gabrielle Fülöp: „Alles fügte sich mit dem guten Willen aller Beteiligten und etwas Humor wunderbar zusammen.“

Viele Schülerinnen und Schüler, die sonst in einem feierlichen Akt eine Urkunde von Heike Neyens zum Gewinn eines Wettbewerbs erhalten hätten, müssen sich nun im Stillen freuen, erfahren nicht die Anerkennung durch ein Publikum. Leider werden auch Begegnungsprojekte abgesagt, z. B. mehrwöchige Sommerstipendien in Deutschland für besonders verdiente Schülerinnen und Schüler mit sehr gutem Deutschniveau. Ein schmerzlicher Einschnitt für die Jugendlichen und auch für die Lehrkräfte, die ihre Zöglinge mit großem Engagement und Ehrgeiz fördern. Lehrer und Bildungsreferent Gyula Meskó drückt es so aus: „Nur die Hoffnung bleibt uns, dass diejenigen, die dieses Jahr ein Stipendium erhalten würden, vielleicht nächstes Jahr wieder eine Möglichkeit erhalten könnten.“

Ohne jegliche Umschweife stellten die ungarischen Lehrkräfte auf Online-Unterricht um. Viele Schulen verfügen bereits über Lösungen wie Google Classroom, nutzen Jitsi Meet-Videokonferenzen u. Ä. Berichtet wird von allen Seiten – Schülerinnen und Schülern wie Lehrkräften – dass die Vorbereitung auf das ungarische Abitur online sehr viel zeitaufwändiger und kraftraubender ist als gemeinsam im Klassenraum. Jede Schülerin, jeder Schüler möchte eine persönliche Rückmeldung zur schriftlichen Ausarbeitung erhalten.

Die Schülerinnen und Schüler werden übrigens bis zu den Sommerferien, die Mitte Juni beginnen, nur für einzelne mündliche Abschlussprüfungen in die Schulen einbestellt. So ist das Sprechen definitiv die Fertigkeit, die derzeit zu kurz kommt. Es fehlt der Austausch im Klassenverbund auf Deutsch. Kreative Lösungen sind gefragt wie Hausaufgaben, die in Form von kurzen Handyvideos mündlich bearbeitet werden sollen. Methodische Anregungen über neue Unterrichtsformen zu geben, gehört natürlich auch zu den Aufgabengebieten der Fachberaterin.

Zur Person: Heike Neyens (55), aus Essen, zuletzt Lehrerin für Deutsch/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache sowie Englisch am Berufskolleg Siegburg, ist seit August 2019 für mindestens drei Jahre für einen Einsatz im Auslandsschuldienst beurlaubt. Als Fachberaterin für Deutsch als Fremdsprache koordiniert sie im Auftrag der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) im Bundesverwaltungsamt das Deutsche Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz an 41 Partnerschulen der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn.