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Gut erholt – erfrischter im Schulalltag

Aktiv gegen Erschöpfung und Stress mit Online-Gesundheitstrainings

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Foto: (Foto: Eric Gevaert/iStockphoto.com)

 

Foto: Online-Gesundheitstraining_Lehr
Dr. Dirk Lehr, Leuphana Universität Lüneburg

 

Foto: Online-Gesundheitstraining_Sieland
Prof. Dr. Bernhard Sieland, Leuphana Universität Lüneburg

Mit dem Stress im Beruf verhält es sich wie in einer verwickelten Beziehung: Es geht nicht ohne den anderen, aber miteinander geht es auch nicht. Wer keinen Stress hat, setzt sich leicht dem Verdacht der Faulheit aus; wer zu viel Stress hat, muss früher oder später die gesundheitlichen Konsequenzen tragen: Chronische Anspannung, Erschöpfung, schlechter Schlaf bis hin zur Depression.

Erste Initiativen zur Gesundheitsförderung für Lehrerinnen und Lehrer wurden aus der Not der zahlreichen krankheitsbedingten Frühpensionierungen wegen psychischer Störungen um die Jahrtausendwende geboren. Seither ist Einiges geschehen. Die Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrer ist in doppelter Hinsicht zu einem zentralen Thema geworden: Erstens als "Menschenrecht" für Lehrerinnen und Lehrer und zweitens als Bedingungsfaktor für gute Bildung.

Was tun bei chronischem Stress?

Für den Einzelnen, der akut unter stressbedingten gesundheitlichen Problemen leidet, stellt sich die Frage, was Erleichterung verschafft. Ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Hausarzt, einem Psycho- oder Physiotherapeuten ist sicherlich ein guter Start. Dies kann auch helfen zu verstehen, wie vielfältig die Zusammenhänge von gesundheitlichen Beschwerden und chronischem (beruflichem) Stress sein können. Während es für den stressbedingten Kopfschmerz wirksame Medikamente gibt, fehlen diese leider für den zugrunde liegenden Stress. Hier sind Trainingsprogramme zur Stressbewältigung das Mittel der Wahl. Dazu gehören aktive Entspannungsverfahren oder spezielle Trainingsprogramme für Lehrerinnen und Lehrer, wie z.B. das Präventionsprogramm AGIL "Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf" oder das "Training emotionaler Kompetenzen".

Die Teilnahme an derartigen Stresstrainings setzt in der Regel voraus, dass man sich für einige Wochen einen festen Termin einplant und gerne in einer Gruppe, gemeinsam mit anderen, an der eigenen Gesundheit arbeitet. Allerdings fällt es nicht immer leicht, einen zusätzlichen festen Termin außer Haus, mit u. U. längeren An- und Abfahrtzeiten, im Terminkalender unterzubringen. Manch einer mag es bevorzugen, an seiner Gesundheit zu arbeiten, ohne in einer Gruppe mit anderen über die persönlichen Stärken und Schwächen zu sprechen. Zudem ist nicht immer dann, wenn ein Training benötigt wird, ein entsprechendes Angebot in der Nähe des Wohnortes verfügbar. Dies sind nur einige Überlegungen, die Forscher in Ländern wie Australien, Schweden oder den Niederlanden veranlasst haben, die Möglichkeiten des Internets für gesundheitliche Probleme nutzbar zu machen. Gerade die Möglichkeit die eigenen Trainingszeiten ganz flexibel und selbstständig so einteilen zu können, wie es die familiären und beruflichen Verpflichtungen erlauben, scheint Online-Trainings attraktiv zu machen.

Erfahrungen mit Online-Gesundheitstrainings

Die Erfahrungen aus Ländern wie den Niederlanden zur Wirksamkeit von Gesundheitstrainings via Internet sind vielversprechend, aber in Deutschland bislang kaum bekannt. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien in diesen Ländern zeigte sich, dass Online-Trainings ein wirksames Mittel zur Reduktion von depressiver Erschöpfung sowie chronischem Stress sind und die Schlafqualität deutlich verbessern können. Entsprechend hat es sich das Forschungsprojekt GesundheitsTrainings.Online (GET.ON) an der Leuphana Universität Lüneburg zur Aufgabe gemacht, die guten Erfahrungen mit Online-Trainings auch in Deutschland nutzbar zu machen. GET.ON ist ein gemeinsames Projekt zur Gesundheit im Lehrerberuf der Unfallkasse NRW und der Leuphana Universität.

An einem ersten von GET.ON entwickelten Online-Training nahmen ausschließlich Lehrerinnen und Lehrer teil, die über erhöhte Werte in depressiver Erschöpfung berichteten. Das Training setzte bei der Beobachtung an, dass häufig ungelöste Probleme zu chronischem Stress und letztlich zu gesundheitlichen Problemen führen. Sind Probleme erst einmal über längere Zeit ungelöst liegen geblieben, kann es leicht passieren, dass die Zuversicht in Veränderungen und die Kraft zur Suche nach einer akzeptablen Lösung verloren geht. Problemlösetrainings bieten eine kreative Möglichkeit, systematisch Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und auszuprobieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmenden im Vergleich zu den Lehrerinnen und Lehrern, die erst später an dem Training teilnahmen, über eine deutliche Erleichterung berichteten.

Wie Online-Trainings funktionieren

Inhaltlich bieten Online-Gesundheitstrainings dasselbe wie "klassische" Trainingsprogramme. Auch hier geht es darum, Denk- und Verhaltensgewohnheiten genau dahingehend zu prüfen, ob sie für die eigene Entlastung förderlich oder hinderlich sind. Es geht darum, ausgewählte kleine Schritte auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln, was sich in der ganz individuellen beruflichen und privaten Situation als hilfreich erweist und was nicht. Die Trainingsformate haben gemeinsam, dass es zunächst die Investition von Zeit und das Ausprobieren von Veränderungen braucht - trotz des ohnehin (über)vollen Tagespensums. Wem dieses Kunststück gelingt, der hat gute Aussichten, dass die investierte Zeit und Mühe in Form einer spürbaren Entlastung und Erleichterung zurückkommen.

Online-Trainings bestehen häufig aus fünf bis zehn Trainingseinheiten, die gewöhnlich in einem wöchentlichen Rhythmus bearbeitet werden. Eine Trainingseinheit ist meist auf 30-60 Minuten ausgelegt und kann vorzugsweise am Stück oder wahlweise zeitlich verteilt bearbeitet werden. Die einzelnen Einheiten enthalten Informationen zu den Ursachen der jeweiligen gesundheitlichen Beschwerden und den Veränderungsmöglichkeiten. Sie bieten Übungen an, die während der Einheit oder im Alltag erprobt werden können. Kurze, erklärende Videos oder anleitende Audios kommen dabei zum Einsatz. Online-Tagebücher geben die Möglichkeit, die Entwicklung der gesundheitlichen Beschwerden und die eigenen Fortschritte genau zu beobachten. Manche Trainings sind so gestaltet, dass sie vollständig selbstständig durchlaufen werden können. Andere Trainings bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, mit einem eCoach per eMail in Kontakt zu sein. Dieser begleitet sie durch das Training, beantwortet Fragen und unterstützt durch regelmäßiges Feedback die Erprobung der Übungen.

In einem gemeinsamen Projekt der Unfallkasse NRW und der Leuphana Universität Lüneburg haben Lehrerinnen und Lehrern aus Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, kostenfrei an verschiedenen Online-Gesundheitstrainings, teilzunehmen. Dabei wurde das Regenerationstraining speziell für Lehrerinnen und Lehrer entwickelt (Anmeldung über nachstehende Links). Drei Online-Gesundheitstrainings werden im Folgenden beschrieben.

Erholsamer Schlaf als Kernstück der Regeneration

Wer unter schlechtem Schlaf leidet, ist damit nicht alleine. Knapp 10% der Deutschen haben bedeutsame Probleme mit dem Einschlafen, Durchschlafen, werden zu früh wach oder fühlen sich beim Aufwachen nicht erholt. Dies kann damit zusammenhängen, dass der Körper dauerhaft zu stark aktiviert ist, weil die Gedanken auch in der Freizeit, am Abend und der Nacht um berufliche oder private Belastungen kreisen. Ständige Erreichbarkeit und gewohnheitsmäßiges Arbeiten am späteren Abend oder Wochenende halten das Gedankenkarussell auf Schwung. Grübel- und Sorgengedanken vertreiben zuverlässig den Schlaf. Erholsamer Schlaf ist jedoch das Kernstück der Regeneration und ermöglicht es, sich den Herausforderungen des Unterrichtens am nächsten Morgen mit der nötigen Frische zu stellen.

Das Regenerationstraining umfasst sechs Einheiten und zielt auf die Förderung von erholsamem Schlaf ab. Es bietet Möglichkeiten, wirksame Erholungsgewohnheiten zu entwickeln und vor allem die Fähigkeit zur gedanklichen Distanzierung von beruflichen Belastungen systematisch auszubauen.

Probleme lösen und mit schwierigen Gefühlen umgehen

Das Training zur Reduktion von beruflichem Stress ist auf sieben Einheiten ausgelegt und richtet sich an diejenigen, für die Anspannung zu einem Dauerzustand geworden ist. Ständige Probleme nehmen die Zeit zum Durchatmen und Kräftesammeln. Sorgen oder Ärger machen den Berufsalltag schwerer als nötig. Im Training geht es darum, die (kleinen) Dinge im Alltag zu entdecken und zu pflegen, die Kräfte spenden. Es werden lösbare und nicht lösbare Probleme unterschieden. Für die einen wird ein vielfach bewährter Sechs-Schritte-Plan vorgestellt, mit dessen Hilfe Probleme, die Stress auslösen, Schritt für Schritt besser bewältigt werden können. Nicht lösbare Probleme gehen oft mit belastenden Gefühlen wie Ärger, Angst, Scham, Schuld oder Enttäuschung einher. Zu lernen, mit diesen Gefühlen entlastend umgehen und sich selbst unterstützen zu können, ist ein weiterer Schwerpunkt des Trainings. Zudem können Muskel- und Atementspannung eingeübt werden und Anregungen zum Zeitmanagement, zu Ernährung, Bewegung, dem Geben und Annehmen von Unterstützung, erholsamem Schlaf oder zum Umgang mit Grübeln bearbeitet werden.

Veränderung bei depressiver Erschöpfung

Eine Folge von chronischem Stress kann darin bestehen, sich erschöpft zurückzuziehen und immer mehr die Dinge aufzugeben, die sonst als angenehm, herausfordernd oder stimulierend erlebt wurden. Ein Teufelskreis aus Erschöpfung, Rückzug, fehlendem Schwung zu angenehmen Aktivitäten und niedergedrückter Stimmung kann einsetzen. An dieser Stelle setzt das Training zur Bewältigung depressiver Stimmung an. Es beinhaltet sechs Einheiten. Ziel ist es, den Rückzug zu überwinden, indem Schritt für Schritt wieder ?positive? Aktivitäten unternommen werden und diese auch nach und nach wieder als angenehm erlebt werden können. Hat sich die Stimmung aufgehellt, kann sich auch der nötige Schwung entwickeln, um zuversichtlicher an die Bearbeitung ungelöster Probleme zu gehen. Dies ist ein weiterer Schwerpunkt des Trainings. In zusätzlichen Modulen können je nach Bedarf Informationen und Übungen zum erholsamen Schlaf, dem Umgang mit Grübelgedanken oder Entspannungstechniken abgerufen werden.

Fazit und Ausblick

Online-Gesundheitstrainings haben sich bereits in vielen Ländern erfolgreich bewährt. Erste Erfahrungen in Deutschland, speziell mit Lehrerinnen und Lehrern, geben Anlass zur Hoffnung, dass Online-Trainings die vorhandenen Angebote im Bereich stressbedingter Gesundheitsstörungen sinnvoll und wirksam ergänzen können. Während die zeitliche Flexibilität bei der Bearbeitung der Trainingseinheiten oder die Zeitersparnis durch den Wegfall von An- und Abfahrtswegen sicherlich zu den Vorteilen von Online-Trainings gehören, erfordern sie vielleicht eine höhere Selbstdisziplin als klassische Gruppentrainings, um regelmäßig ? ohne den freundlichen Nachdruck einer Gruppe ? die Trainingseinheiten zu absolvieren. Lehrerinnen und Lehrer aus NRW mit stressbedingten gesundheitlichen Beschwerden haben die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen.

Weitere Informationen unter

www.geton-training.de (Hier kann eine Anmeldung zu einem der Trainings erfolgen).

www.geton-training.de/Regeneration.php

www.geton-training.de/stressbewaltung.php

www.geton-training.de/DepressionPrevention.php

Dr. Dirk Lehr ist Medizinischer Psychologe und operativer Projektleiter von GET.ON GesundheitsTrainings.Online im Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg.

Professor Dr. Bernhard Sieland ist emeritierter Hochschullehrer und Pädagogischer Psychologe am Psychologischen Institut der Leuphana Universität Lüneburg. Er arbeitet schwerpunktmäßig zum Zusammenhang von Bildung und Gesundheit.

An dem Artikel haben außerdem mitgewirkt: Dipl. Psych. Hanne Thiart, Dipl. Psych. Elena Heber, Dr. David Ebert vom GET.ON-Team und Dr. h.c. Heinz Hundeloh von der Unfallkasse NRW.

Zum Weiterlesen

Ebert, D. D. & Erbe, D. (2012). Internetbasierte psychologische Interventionen. In M. Berking & W. Rief (Hrsg.). Lehrbuch Psychotherapie (S. 131-140). Heidelberg: Springer.

Hillert, A., Lehr, D., Koch, S. Bracht, M., Ueing, S. & Sosnowsky-Waschek, N. (2011). Lehrergesundheit. AGIL das Präventionsprogramm für Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf. Stuttgart: Schattauer.

Lehr, D., Heber, E. & Thiart, H. (2012). Regeneration als Ressource: Erholungsverhalten als Antwort auf berufliche Herausforderungen. PADUA, 7, 182-187.

Lehr, D. (2011). Gesundheit im Lehrerberuf: Prävention und Intervention in der personenbezogenen Forschung. In E. Terhart, H. Bennewitz & M. Rothland (Hrsg.). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 774-787). Münster: Waxmann.